"Dann bist Du also eine gemachte Frau "

Chantal im Café Odeon, Zürich

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Ja es stimmt, dieser Wechsel hat etwas Artifizielles. Die Herstellung und Vervielfältigung von Geschlechts mittels chirurgischer Eingriffe ist gewöhnungsbedürftig. Aber niemals je habe ich geglaubt, dass mich dieser Eingriff zur Frau machen würde. Obwohl ich danach strebte. Aneignung von Geschlecht vollzieht sich anders.

Wie wird man nun Frau ? Oder wie wird man Mann? Welche Bauanleitung kann man aus dem Internet ziehen ? Welche Tipps gibt es zum Passing, zum unauffälligen Durchgehen im Alltag ? Nun -vorab kann ich für mich mit Folgendes aufwarten: Ich bin keine Frau. Aber nur, wenn ich ehrlich bin. Und genau wollte ich ja sein.

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Auch wenn es sie jetzt überraschen sollte - ich bin exakt gesagt: "dem weiblichen Geschlecht zugehörig angesehen". So steht es im Gesetztes Text und so hat es Berechtigung. Was nichts anderes besagt, als dass im Jahre 1987 fünf psychiatrische Gutachten über mich mit positivem Befund angefertigt wurden. Sie alle kann ich verwenden, um zu behaupten, immer schon Frau gewesen zu sein. Aber es stimmt auch nicht.

Als zugehörig angesehen" bin ich keine Frau. Oder eine reputierte, eine die sich dem Anssehen anderer verdankt. Ohne eigene Identität. Immer fixiert auf das Außen. Achtung, komm bloß durch. Bleibe artig, passe Dich an. Man erwartet, dass ich glücklich bin und unauffällig. Überangepaßtwie die vielen andreen. Man erwartet es von uns, quasie als Lohn für die Erlaubnis, mitten im Leben wechseln zu dürfen. Ich wurde daher in mein neues Leben entlassen mit der Auflage glücklich zu sein. Damit nichts drucheinander komme zwischen den Geschlechtern. Und was wenn doch?

Wenn wir genau sind, verhält es sich mit mir wie mit Paulus, dem Apostel. Einer, der Jesus selber nicht gesehen hat und doch ein Apostel ist. In unserer Sprache kann man mit Recht sagen: Paulus ist ein Trans-Apostel. Einer, der einfach später dazu gekommen ist. Wie ich auch. Asynchron im Leben, doppelbelichtet.

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Also halten wir fest: Ich bin keine Frau. Ich bin auch kein Mann. Als Ausnahme habe ich nicht die Regel. Ich menstruiere nicht. Damit bin ich nicht groß geworden. Die Standardreaktion vieler Frauen ist: sei froh darum. Und ich frage: froh um was. Um etwas, was ich nicht habe ? Warum solle ich darum froh sein ?

Zugegeben, es macht Irritationen. Beim Michigan Music Festival 1999 wurden zum erst Mal Frauen ausgesperrt, die nicht als Frauen geboren sind. Ich frage mich, wie man das festgestellt hat. Sollten wir auch zusätzliche Menstruations-ausweise einführen ? Nur um sicher zu gehen. Und wie hätten die auszusehen? Oder solle man gar nur menstruierende Frauen auf Festivals zulassen. Wer gerade nicht menstruiert, fliegt raus. Das wäre was, aber wie bringt man die ganzen Binden und Tampons unter? Vor allem: Wie wäre das an den Kassen zu regeln ?

Vielleicht gibt es dann auch irgendwann mal Echtheitszertifikate für Frauen. So wie bei BSE mit Verzeichnis der Herkunft. Bei mir würde dann drauf stehen: Achtung, diese Frau kommt aus verseuchter Landschaft und kann nicht ohne Gefahr genossen werden. Damit wäre ich einverstanden.

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Worum es mir geht? Um eine Identität, die nicht an der Kategorie Geschlecht gewonnen wird. Gender Identity Zero meint - den Nullpunkt zu suchen, Ground Zero einer biploraren Geschlechterhierachie. Weder Mann sein können, noch Frau sein müssen. Sich der Verwertbarkeit - auch der literarischen - von Geschlechterkategorien zu entziehen und Orte aufzusuchen, die frei davon sind. Das heißt auch die eigene Verletzlichkeit wagen.

Lange genug habe ich meine Geschichte tabuisiert. Dachte sie verstecken zu können, um einwandfrei als Frau zu funktionieren. Und doch merkte ich je länger je mehr, dass so etwas nicht funktioniert. Niemals wurde ich belohnt für die Anpassung. Groteskte Szenen ergaben sich, Hauptsache man kam durch. Niemand merkte etwas.

Eine gender konvertierte Pastorin? Wer mochte daran schon glauben. Und so wurde mir der Talar tatsächlich zur Schutzhülle, unter der ich mich bergen konnte. Zu unerhört ein solcher Gedanke. Aber man kann nicht das eine Versteck auf Dauer gegen das andere eintauschen. Und irgendwann ist es auch dort an der Zeit, heraus zu treten.

Ich bin kein Mann und muss auch keine Frau sein. Keine dieser artig angepassten, die immer Angst vor ihrer Geschichte haben. Ich kann das verstehen, dachte ich doch selber dereinst mit Normalität belohnt zu werden und erntete doch nichts.

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